Aktuelle OGH Entscheidungen
kommentiert von Dr. Peter Kolba
OGH: Privatverkauf Gebrauchtwagen – Verkehrs- und Betriebssicherheit
Auch bei einem Gebrauchtwagen ist die Verkehrs- und Betriebssicherheit eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft, für die der Verkäufer gewährleistungsrechtlich einzustehen hat.
Ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss (nur zulässig bei einem Kaufvertrag zwischen zwei Privaten) schließt die Haftung des Verkäufers aus, sofern die Verkehrs- und Betriebssicherheit dem Käufer nicht ausdrücklich oder schlüssig zugesichert worden ist.
Nur beim Kauf eines Gebrauchtwagens von einem gewerblichen Fahrzeughändler geht die Rechtsprechung von der schlüssigen Zusicherung eines verkehrs- und betriebssicheren Zustandes aus (OGH 8 Ob 19/12w). Bei einem Privatverkauf ist eine schlüssige Zusicherung dagegen nur bei besonderen Umständen anzunehmen.
Weder aus einer Probefahrt des Käufers noch aus dem weit unter der durchschnittlichen Gesamtlaufleistung liegenden Kilometerstand noch aus dem den Wrackwert übersteigenden Kaufpreis lässt sich die schlüssige Zusicherung der Verkehrs- und Betriebssicherheit durch den Privatverkäufer des Gebrauchtwagens ableiten.
OGH: ElWOG – Netzzutrittsentgelt für Photovoltaikanlage?
Wird an einen bestehenden Netzanschlusspunkt eines Netzbenutzers, der von diesem bereits zum Strombezug benutzt wurde, erstmals eine Stromerzeugungsanlage angeschlossen, die in der bestehenden Leistungskapazität des Netzanschlusses Deckung findet, liegt kein Netzzutritt iSd § 54 Abs 1 ElWOG 2010 vor. In diesem Fall steht auch dann, wenn es sich bei der Anlage um eine Erzeugungsanlage auf Basis erneuerbarer Energieträger handelt, kein Netzzutrittsentgelt zu. Dies gilt auch nach der Rechtslage aufgrund des Eneuerbaren-Ausbau-Gesetzespakets („EAG-Paket“).
OGH: Produkthaftung bei Beatmungsgerät von Philips/Respironics
Der Kläger hatte ein Beatmungsgerät gegen Schlafapnoe erworben, das von Philips/Respironics in den EWR importiert worden war. Nach mehrjähriger Nutzung erhielt er eine Sicherheitsmitteilung der Herstellerin, in der sie auf mögliche Probleme mit dem Schaumstoff in ihren Beatmungsgeräten hinwies, der sich zersetzen oder Chemikalien freisetzen und dadurch zu Gesundheitsschädigungen führen könne. Nach den Feststellungen des Erstgerichts war dieser Schaumstoff auch im Gerät des Klägers enthalten. Der Gesundheitszustand des Klägers hatte sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zwar nicht verschlechtert, aus der Nutzung des Geräts resultierende Spätfolgen konnten aber auch nicht ausgeschlossen werden.
Der OGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen, die die auf Zahlung eines Schmerzengelds gerichtete Klage abwiesen, aber die Haftung der Beklagten für künftige Schäden feststellten.
Für die Produkthaftung sei auf eine Fehlerhaftigkeit iSd § 5 PHG abzustellen (hier im Sinne eines Konstruktions- oder Produktionsfehlers) und entscheidend, ob das Produkt ein nicht zu erwartendes Sicherheitsdefizit aufweise, und nicht, ob bereits ein (Teil-)Schaden eingetreten sei. Wenn in einem Beatmungsgerät, das über lange Zeit jede Nacht für viele Stunden verwendet werden solle, ein potentiell gesundheitsschädliches Material enthalten sei, genüge das Produkt nicht den berechtigten Sicherheisterwartungen eines durchschnittlichen Anwenders iSd PHG. Für die Feststellung der Haftung reiche es zudem aus, dass künftige Schäden nicht ausgeschlossen werden könnten.
Sollte es tatsächlich zu einer späteren Beeinträchtigung kommen, wäre es sodann Sache des Klägers, in einem Leistungsprozess seinen konkreten Schaden und die Kausalität mit dem fehlerhaften Produkt nachzuweisen.
(Immaterieller) Schadenersatz bzw Schmerzengeld für bloße Beeinträchtigungen des seelischen Wohlbefindens, die nicht als schwerwiegende Eingriffe in die psychische Sphäre qualifiziert werden könnten, keinen eigenständigen Krankheitswert hätten und auch nicht aus einer Körperverletzung resultieren würden, wie das hier festgestellte Unbehagen des Klägers nach Erhalt der Sicherheitsmitteilung, könnte jedoch nicht verlangt werden.
OGH: Produkthaftung bei codeinhaltigem Hustensaft
In dem hier entschiedenen Fall ging es um den tragischen Tod eines vierjährigen Mädchens nach der überdosierten Gabe eines codeinhaltigen Hustensafts im Jahr 2015, der damals zwar rezept- und apothekenpflichtig, aber bereits für Kinder ab drei Jahren zugelassenen war.
Auch hier bestätigte der Oberste Gerichtshof Ansprüche der hinterbliebenen Familienangehörigen gegen die (Anscheins-)Herstellerinnen nach dem PHG für einen Instruktionsfehler, weil der Hustensaft nach den Verfahrensergebnissen mitursächlich für den Tod war und bei entsprechenden Gefahrenhinweisen in der Gebrauchsanweisung („Beipackzettel“) nicht verabreicht worden wäre.
Der OGH setzte sich dabei ua umfassend mit dem Verhältnis der Warnpflichten nach dem Produkthaftungsrecht und den arzneimittelrechtlichen Vorschriften auseinander und bejahte eine Haftung trotz der Zulassung sowohl des Hustensafts als auch der Fach- und Gebrauchsinformation nach dem AMG. Auch den Einwand, dass die Warnpflicht bei einem Medikamentenmissbrauch entfalle, verwarf der Oberste Gerichtshof im konkreten Fall. In einer Gebrauchsinformation könne und müsse ebenso vor einem vorhersehbaren Fehlgebrauch gewarnt werden. Je weniger die Gefährlichkeit eines Arzneimittels ersichtlich sei, desto eher müsse aber mit einer Überdosierung durch den Anwender gerechnet werden.
OGH: Nichtanwendung unfairer Klausel – im Individualverfahren keine Nichtigkeit
Es geht um einen Fremdwährungskredit, der wegen der Nichtigkeit einer Reihe von Klauseln angefochten wurde. Das angestrebte Ergebnis: Nichtigkeit des Vertrages und daher nur in Euro zurückzuzahlen; das Währungsrisiko soll also bei der Bank bleiben.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) versucht mit Auslegung und Ignorieren von EuGH-Entscheidungen die österreichischen Banken vor solchen Klagen zu schützen. In dieser Entscheidung geht er aber noch einen Schritt weiter und das kann auch auf andere Fragestellungen negativen Einfluss haben.
Eine Zinsgleitklausel im Kreditvertrag sah vor, dass jeder neue Zinssatz aufzurunden sei. Wenn man vom aufgerundeten Wert weiterrechnet, dann entsteht eine „Aufrundungsspirale“, die gesetzwidrig und nichtig ist (OGH 4 Ob 265/02b; OGH 5 Ob 266/02g; 4 Ob 288/02b).
Aber selbst, wenn aus der jeweiligen Aufrundung keine Spirale entsteht, ist eine Klausel, die immer die Aufrundung statt der kaufmännischen Rundung vorsieht, gesetzwidrig und nichtig (4 Ob 210/04t).
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) geht bei unfairen Klauseln davon aus, dass diese jedenfalls nichtig sind und wegfallen, unabhängig, ob diese Klauseln in der Praxis angewendet werden oder nicht. Das ist die – mitunter harte – Strafe für einen Unternehmer, der sich solcher Klauseln bedient.
In der vorliegenden Entscheidung des OGH wird – entgegen dieser Rechtsprechung – die klar formulierte Klausel in eine gesetzeskonforme Klausel (kaufmännische Rundung) uminterpretiert und die Wirksamkeit der Klausel „gerettet“. Keine Nichtigkeit der Klausel und keine Nichtigkeit des Kreditvertrages.
Der OGH im Originalton: Gegenständlich geht es … darum, dass zwar der Wortlaut der Klausel gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoßen würde, im Wege der Auslegung aber letztlich ein anderer Inhalt ermittelt wird, sodass im Ergebnis schon gar keine unzulässige Klausel vorliegt.“
Die Banken werden sich freuen.
OGH: Provision der Bank bei Vermittlung fondsgebundener Lebensversicherung
Ein Berufungsgericht hatte in einem Fall einer Umschuldung eines Abzahlungskredites auf einen endfälligen Fremdwährungskredit und der Vermittlung einer fondsgebundenen Lebensversicherung durch eine Bank geurteilt, dass von der Bank für die Vermittlung des Tilgungsträgers lukrierten Innenprovision üblich sei und daher dem Kläger hätte bekannt sein müssen.
Der OGH wies eine Revision gegen das Berufungsurteil mit der Begründung zurück, dass sich das Berufungsgericht im Rahmen der Grundsätze einer ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bewege, und daher keine erhebliche Rechtsfrage vorliege, die eine Revision rechtfertige.
Ein Anlageberater habe den Anleger auf ihm von dritter Seite zufließende Provisionen hinzuweisen, wenn der Anleger – insbesondere wegen der Verrechnung eines Agios als Entgelt für die Vermittlung der Anlage – nicht mit solchen (weiteren) Zahlungen rechnen musste.
Eine solche Fallkonstellation liege hier aber nicht vor. Die Kreditnehmerin hatte für die Umschuldung ihres Kredits über ursprünglich mehr als 350 Mio ATS ein Entgelt („Bearbeitungsspesen“) von 1.500 ATS zu bezahlen, das angesichts der Kreditsumme verschwindend gering war. Für die Leistung der Vermittlung des zur Besicherung angebotenen Versicherungsprodukts hat die Bank der Kreditnehmerin nichts verrechnet.
Unter diesen Umständen sei die Beurteilung des Berufungsgerichts keinesfalls unvertretbar, dass auch das unter dem Schlagwort „Bestkonditionen“ zugesagte Entgegenkommen der Bank bei der Kreditnehmerin kein begründetes Vertrauen dahin erwecken konnte, diese werde auch von der Versicherungsanstalt keine Vermittlungsprovision erhalten.
Ob eine Anlegerin bei sorgfältiger Beratung einer vertieften Aufklärung über die Struktur des konkret als Tilgungsträger angeschafften Anlageprodukts bedurft hätte, sei eine Frage des Einzelfalls und daher in der Revision nicht zu behandeln.