Ischgl-Prozesse – Antrag auf Beweissicherung von Zeugenaussagen
VSV regt auch Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH an
Wien (OTS) – Am 17.9.2021 fand am Landesgericht für Zivilrechtssachen die erste Verhandlung in der Klage von Hinterbliebenen eines österreichischen Covid-19 Opfers gegen die Republik Österreich statt. Die Verhandlung wurde ohne Beweisverfahren geschlossen, das Urteil soll schriftlich ergehen.
„Das Multiorganversagen der österreichischen Behörden in Sachen Ischgl fand vor eineinhalb Jahren statt. Die Pandemie hat eine frühere Verhandlung nicht möglich gemacht. Doch nun drohen weitere Jahre zu vergehen, bis der Oberste Gerichtshof über die Rechtsfrage entschieden hat, ob das Epidemiegesetz nur die Volksgesundheit oder – was nahe liegt – auch die Gesundheit von Individuen schützt,“ sagt Peter Kolba, Obmann des Verbraucherschutzvereines. „Wenn Zeugen dann erst in drei bis vier Jahren seit den Ereignissen vor Ort vernommen werden, dann kann sich kaum mehr jemand an Details erinnern. Daher werden wir in den Verfahren Anträge auf Beweissicherung stellen.“
Rechtsanwalt Dr. Alexander Klauser stützt die Beweissicherungsanträge für die Vernehmung von über 15 Zeugen, darunter Bundeskanzler Kurz, Ex-Gesundheitsminister Anschober, Innenminister Nehammer und Landeshauptmann Platter darauf, dass es gerichtbekannt ist, dass die Erinnerungsfähigkeit von Zeugen und Parteien mit fortlaufender Zeit abnimmt.
Rasche Vernehmungen sind auch deshalb nötig, weil im zentralen Krisenstab des Innenministeriums (SKKM) im Frühjahr 2020 kein offizielles Protokoll der Sitzungen erstellt wurde und der damalige organisatorische Leiter dieses Gremiums – der ehemalige Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Lang – in seiner Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft Innsbruck sich bereits deshalb auch auf Gedächtnislücken berufen musste.
Schließlich zeigt auch das Beispiel des Ex-Gesundheitsministers Anschober, dass über längere Zeit ein innegehabtes politisches Amt bis zu einer späten Vernehmung bereits verloren sein kann und der Zeuge deshalb nicht auf seinerzeitige Unterlagen zugreifen kann.
„Wenn man bedenkt, dass Bundeskanzler Kurz – selbst in jungen Jahren – sich im Ibiza-Untersuchungsausschuss kolportierte 68 mal auf Erinnerungslücken berufen musste, dann ist nachvollziehbar, dass die Zeugen – so auch Bundeskanzler Kurz – rasch vernommen werden müssen, um den Sachverhalt aufklären zu können,“ erklärt Peter Kolba.
Rechtsanwalt Klauser beruft sich in den Verfahren nun auch auf EU-Recht und regt an, ein Vorabentscheidungsverfahren an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu stellen.