Haben Lebensversicherer ein Gesetz gekauft?

Ibiza-U-Ausschuss-Material als Sachverhaltsdarstellung an WKStA

Gestern wurde im Nationalrat der Ibiza-Untersuchungsausschuss abgeschlossen. Im Ausschuss hervorgekommene Fakten legen den Verdacht nahe, dass sich Lebensversicherer ein günstiges Gesetz gewünscht, selbst geschrieben und dafür möglicherweise auch gespendet haben.

Zur Vorgeschichte: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte am 19.12.2013 die österreichischen Lebensversicherer mit einem verbraucherfreundlichen Urteil schockiert: Wenn bei Abschluss der Lebensversicherung die Rücktrittbelehrung fehlt oder falsch ist, dann besteht ein unbefristetes („lebenslanges“) Rücktrittsrecht („Spätrücktritt“). Im Herbst 2015 hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) diese Rechtsprechung übernommen.

In der Folge hatten viele Versicherungsnehmer – die sich beim Vertragsabschluss aus heutiger Sicht von Keilern überrumpelt sahen – die Versicherungsverträge von Anwälten oder Verbraucherschützern überprüfen lassen und den Rücktritt erklärt.

Anders als bei einem Rückkauf (mit Abzug von Bearbeitungsentgelten) wurden für die Rückforderung der bezahlten Prämien bei einem Rücktritt auch 4 Prozent Zinsen p.a. ab Zahltag von Gerichten zugesprochen. Die Versicherungsnehmer konnten dadurch einen Teil der eingetretenen Verluste ausgleichen.

Die Versicherungsbranche lief gegen diese Judikatur Sturm und versuchte über Lobbying bei der Politik eine gesetzliche Änderung herbeizuführen:

  • Im September 2017 brachten ÖVP und SPÖ kurz vor der Nationalratswahl einen Initiativantrag im Nationalrat ein, wonach ein „Spätrücktritt“ nur noch bis ein Monat nach beiderseitiger Vertragserfüllung möglich sei. Die FPÖ wehrte sich wortgewaltig dagegen. Der Antrag wurde zurückgezogen.
  • Im Frühjahr 2018 – nun gab es die ÖVP–FPÖ Koalition – unternahm diese einen weiteren Versuch einen ähnlichen Initiativantrag einzubringen. Doch als dies öffentlich wurde, zog die FPÖ zurück und kritisierte das Vorhaben erneut heftig.
  • Erst im Sommer 2018 hat dann die ÖVP-FPÖ Koalition einen neuerlichen Entwurf vorgelegt, bei dem aber nicht der „Spätrücktritt“ befristet, sondern wirtschaftlich uninteressant gemacht wurde.

Im Herbst 2021 wurde der damalige FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache nicht rechtskräftig wegen Bestechlichkeit zu einer bedingten Freitheitsstrafe verurteilt. Ihm wird vorgeworfen, es seien der FPÖ von einem Privatklinik-Betreiber zwei Parteispenden 2016 und 2017 überwiesen worden. Als Gegenleistung habe sich Strache für seinen Freund eingesetzt und durfte dessen Klinik schlussendlich an den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) andocken.

Im Ibiza-U-Ausschuss kam schließlich hervor, dass Strache offenbar die Zustimmung zur Änderung des „Spätrücktrittes“ bei Lebensversicherungen gegen eine Öffnung des PRIKRAF bei Privatkliniken mit der ÖVP eintauschte.

Hartwig Löger – ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Uniqa und Aufsichtsratsvorsitzender der Tochterfirma Premiqamed – hatte ab 18.12.2017 das Amt des Finanzministers inne.

Löger bestritt im Ibiza-U-Ausschuss einen Zusammenhang der Spenden der Premiqamed in den Jahren 2017 und 2018 an die ÖVP mit der Erhöhung der PRIKRAF-Mittel. Das lässt jedoch den Verdacht zu, dass diese Spenden im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung in Sachen „Spätrücktritt“ stehen könnten.

„Wir haben diesen Sachverhalt und die dazu gehörigen Unterlagen an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) übermittelt und auch Ermittlungen gegen vorerst unbekannte Täter angeregt,“ sagt Peter Kolba, Obmann des Verbraucherschutzvereines (VSV). „Wir haben weiteres einen ersten Geschädigten auch als Privatbeteiligten an das Verfahren angeschlossen.“

Und Robert Haupt – Rechtsanwalt und Spezialist bei Lebensversicherungen – ergänzt: „Falls es zu einer Anklage und einer Verurteilung kommen sollte, können von dieser Gesetzesänderung betroffene Versicherungsnehmer auch noch Schadenersatz für die Differenz zwischen Rückkauf und Rücktritt begehren. Der Gesetzgeber ist aber weiterhin gefordert, das klar unionsrechtswidrige Gesetz endlich zu reparieren.“

Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

Ibiza Untersuchungsausschuss Abschlussbericht Grüne

OTS FPÖ 26.9.2017

OTS FPÖ 20.3.2018

Standard 2.2.2021

K.I. generierte Illustration eines moderigen Rettungsreifen am Meeresgrund.
K.I. generiertes Bild eines älteren, besorgten und tätowierten Paares
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